- Die nächste öffentliche Vorstandssitzung findet am 7.04.21 um 17.00 Uhr wahrscheinlich als ZOOM-Konferenz statt.
- In der Gemeinderatssitzung am 11.03.21 sollte über den Antrag der CDU-Fraktion zur Personalaufstockung des KOD entschieden werden.
- Die "Fußgängerbeauftragte" Frau Vorobyeva hat die BGP inzwischen zur Teilnahme an einem „Fußverkehrs-Check“ eingeladen. Start ist mit einem „Auftakt-workshop am 08.03.2021. Für Petershausen sind 2 Begehungen vorgesehen: 25.März 2021, 17.00 Uhr, Treffpunkt Klinikum (Petershausen Ost); und 13.April 2021, 17.00 Uhr, Treffpunkt Bahnübergang Schneckenburgstr. (Petershausen West)
Die Arbeitsgruppe Lärmschutz hat sich im Sommer 2020 gebildet, um die Stadtverwaltung Konstanz zu Maßnahmen zu bewegen, Lärm und Vermüllung von Seeufer, - Rhein und Herosé-Park entgegen zu wirken sowie der unbefriedigenden Einhaltung der Lärmschutz dienenden nächtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30km/h in mehreren Straßen innerhalb der Stadt zu begegnen. Diese Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern der Hotels Harbr und Hotel 47Grad, der Bürgerinitiative Hofgärten, sowie der Bürgergemeinschaft Petershausen und der Lärmschutz-Initiative Konstanz.
Die CDU-Fraktion hat anläßlich der Ratssitzung am 22.10 den Antrag auf Verdoppelung des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) gestellt, so wie es OB Burchardt anläßlich der Übergabe einer Petition mit über 300 Unterschriften am 31.08.2020 zugesagt hatte. RA Tscheulin hat diesen Antrag verbal eingebracht. Es bleibt festzuhalten, dass :
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der zeitweise verstärkte Einsatz des KOD an den o.g. Brennpunkten einen positiven mindernden Effekt auf die Lärmentwicklung durch uneinsichtige Mitbürger gezeigt hat. Die Personalstärke ist allerdings zu gering, um die gesetzlich vorgeschriebene Nachtruhe (22.00 – 6.00h) im ganzen Stadtgebiet durchzusetzen.
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eine Unterstützung des KOD durch Mitglieder des Gemeindevollzugsdienstes (GVD) nicht nur zu einer Vernachlässigung der Kontrolle des ruhenden Verkehrs, aber besonders der Geschwindigkeitskontrollen führen würde. Eine solche Lösung zur Unterstützung des KOD ist zu verwerfen und war ja vor Einsatz des KOD auch - lt. Verwaltung – gar nicht möglich (Arbeitsrecht).
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die beschlossene Verschiebung der Entscheidung über den CDU-Antrag in den März 2021 wird, selbst bei positivem Entscheid, den Einsatz der neuen Mitarbeiter bis frühestens in den Herbst-Winter, und damit nach der neuen Übertretungsperiode, möglich machen.
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im Gegensatz zum Statement vom OB bei der Bürgersprechstunde die Stadt Konstanz sehr wohl in der Lage ist, Geschwindigkeitsmessungen vorzunehmen und, evtl. auch mit Hilfe der erfahrenen Kollegen aus Singen oder der Schweizer Polizei, gegen Raser und Poser vorzugehen. Immerhin besitzt der GVD eine mobile Messeinheit, die aber nur tagsüber, und nicht in den Nachtstunden zum Einsatz kommt. Der Bedarf ist bekanntlich vorhanden (1)
Es ist ebenso erstaunlich, dass die Stadtverwaltung bis heute nicht in der Lage war, eine Kosten/Nutzen-Rechnung für zusätzliches KOD-Personal aufzustellen; immerhin sind Kosten und Einnahmen auf Basis des derzeit angestellten Personals bekannt und fehlende Informationen und Schätzung (z.B. auf Basis der Kostenanalyse eines 16 Mann starken KOD der Stadt Villingen-Schwenningen) möglich sein (2) . Außerdem wurde von der Verwaltung festgehalten, dass der GVD kostendeckend arbeitet, also auch der KOD im Winter, da er in dieser Zeit mit den gleichen Aufgaben betraut ist. Nach Jahren des Einsatzes im Sommer nur zur Prävention muß nun eben verstärkt mit der Erhebung von Bussgeldern gerechnet werden, da sonst keine Besserung zu erwarten ist.
Die Arbeitsgruppe Lärmschutz fordert die Stadtverwaltung deshalb auf:
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eine Kosten/Nutzen Rechnung für zusätzliches KOD-Personal zu erstellen
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anzugeben, bis wann dieses Personal einsatzfähig ist
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die Geschwindigkeitskontrollen in den Nachtstunden in den 30iger Zonen ab 22.00 Uhr durchzuführen (Bodanstr, Mainaustr, Reichenaustr., Max-Strommeyer Str.) sowie der Schneckenburger Str.
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Die Ortspolizei mit Lärmmessgeräten auszustatten und entsprechendes Personal hierfür auszubilden.
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Die Entscheidung über Verstärkung des KOD nach Vorlage der Kosten/Nutzen-Rechnung unverzüglich so vorzunehmen, damit diese im Früh-Sommer 2021 auch einsatzfähig sind.
Verfasser:
Dr. Franz Hamann (L.IN.K), Konstanz, den 26.10.20
Prof. Dr. Christian Millauer (BGP),
Dr. Michael Scholtz (BGP,L.IN.K)
Anlagen sind bei der BGP angefordert werden:
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Übersicht KOD Kosten verschiedenen Gemeinden
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Ergebnis der Geschwindigkeitsmessungen Reichenaustr. (Messstation Kreuzung Reichenau/Schneckenburger Str.)
Petershausen ist der bevölkerungsreichste Stadtteil von Konstanz. Durch die Rheinbrücke wie mit einer Nabelschnur miteinander verbunden, besteht zwischen der Altstadt und der Vorstadt ein reger Austausch. Petershausen-Ost mit seinen Bädern und den Kliniken dient der Erholung und Betreuung der Konstanzer, Petershausen-West hat die alte Stadt immer wieder von den Herausforderungen der Modernisierung entlastet. Hier war Platz für moderne Entwicklungen und für Zuwanderer. So können die Petershauser alle kulturellen und städtischen Einrichtungennutzen,die die Kernstadt zu bieten hat, eine Aufgabenteilung, bei der beide Seiten gewinnen.
1.Der Anfang von Petershausen.
1.1 Das Gelände gegenüber der Altstadt
Der breite Geländestreifen am Konstanzer Trichter und am rechten Seerheinufer, auf dem der Stadtteil „Petershausen“ liegt, wurde bis vor 160 Jahren noch landwirtschaftlich genutzt. Bebaut war beinahe nur das sumpfige Ufer am Übergang vom See in den Rhein. Hier hat die Bischofsstadt schon 983 Fuß gefasst, mit der Gründung eines Benediktinerklosters. Der Klosterkirche wurde bei dieser Gründung eine besondere Aufgabe übertragen. Sie wurde hier, am gegenüberliegenden Ufer, als zweite Peterskirche erbaut - nach dem Vorbild von St. Peter am Tiber in Rom. Mit wundertätigen Reliquien ausgestattet, war sie im Verbund mit vier weiteren Apostelkirchen in der Altstadt das Ziel von Prozessionen und Pilgerrouten. Und damit war sie auch ein Bestandteil der Stadt, auf den nicht nur der Bischof, sondern auch die Bürger später Anspruch erhoben. Dem Kloster zwischen den Dörfchen Ober- und Unterhusen aber wurden große Ländereien übereignet zur Versorgung der aus Einsiedeln kommenden Mönche. Nach der Regel des Heiligen Benedikt wollten sie hier hinter ihrer Klostermauer abgeschirmt von der Welt leben. Aber die Welt hat sie hier nicht verschont, das Kloster wurde geplündert, teilweise abgerissen, ganz zerstört, die Kirche brannte ab. Die Mönche sind diesem Ort trotzdem treu geblieben, und sie haben 800 Jahre lang ihr Kloster auf den Ruinen gehorsam wieder aufgebaut. Diese „Klausur neben dem Markt, ein Gutshof in der Stadt, eine Adelsdomäne in der Bürgergemeinde“, nannte Arno Borst „die Paradoxie Petershausen“. Als um 1500 das Klosterareal mit allen Bewohnern „zur Beute von Konstanz“ (Arno Borst) wurde, als der Rat nämlich die Abtei in die Stadtbefestigung und damit in den Rechtsbereich der Stadt einbezog, kündigte sich schon die Reformation mit einer Vertreibung der Mönche an. Die Mönche kamen zurück. Sie wurden bis zur Auflösung der Klöster 1802 ein bedeutendes Mitglied ihrer Ordensgemeinschaft und erlebten während der Gegenreformation eine letzte Blütezeit.
1.2 Vom Vorgarten zur Vorstadt
Obwohl das Kloster also 800 Jahre lang so dicht vor der Stadt lag, haben die Petershauser Benediktiner nur neue Klöster gegründet, in der Umgebung ihres Klosters aber kam es zu keiner dörflichen oder städtischen neuen Ansiedlung. Das Land vor der Klostermauer blieb vielmehr eine Art Vorgarten von Konstanz mit Obstgärten, Wiesen und Weinbergen. Lediglich ein paar Sommerhäuser begüterter Konstanzer Familien, einzelne Wirtschaftsgebäude und Ausflugslokale standen hier. Erst als die Bevölkerung in der Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Deutschland zunahm und in den Städten sprunghaft anstieg, bot sich dieses Gelände für eine Bebauung an. Auch in Konstanz suchten viele Neubürger Wohnungen und die Altstädter entdeckten das Gelände als Ausweichquartier. Das Klosterareal, das der Vorstadt den Namen gegeben hat, war da schon seit 1806 in den Besitz der Badischen Markgrafen (und späteren Großherzöge) übergegangen und blieb von der Entwicklung zur Vorstadt weitgehend ausgespart. Gerade der Übergang der Stadt Konstanz an Baden aber gab der Stadt neue Impulse, nicht zuletzt durch den Zuzug badischer Beamten in die Vorstadt.
2. Die Bebauung der Vorstadt
2.1 Der Eisenbahnbau
Die Entwicklung zur Vorstadt, mit den nicht genau abgegrenzten Seeuferlagen Neuhausen, Seehausen und Hinterhausen, nahm erst 60 Jahre später richtig Fahrt auf. Da hatte die hölzerne Rheinbrücke einer Konstruktion aus Stein und Eisen weichen müssen und die ersten Eisenbahnzüge dampften in den neugotischen Bahnhof am Hafen. Mit dem kostspieligen Eisenbahnbau 1863 hoffte die verarmte Stadt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Bahn sollte die Stadt mit der Schweiz und dem Alpenraum verbinden, Sommergäste nach Konstanz bringen, Güter zum Weitertransport per Schiff an den See schaffen und eine Industrieansiedlung einleiten. Die Gäste kamen tatsächlich, aber alles andere gelang erst einmal nicht. Acht Jahre wartete man auf die Anbindung an die Schweiz, der Güterumschlag (Trajekt) erforderte den Bau noch weiterer Hafenanlagen und Industrieansiedlungen und hätten sehr viel mehr Platz gebraucht, als vorhanden war.
Da kam nun das rechte Rheinufer ins Spiel. Hier gab es viel Platz, viel Wasser und den Bahnanschluss – beste Voraussetzungen für moderne Unternehmer – vor allem aus der Schweiz. Ein zusätzlicher Anreiz waren die niedrigen Steuern und die billigen Arbeitskräfte. Was die Arbeiter hier in den Tuchfärbereien erwartete schildert Tobias Engelsing: „16-stündige Arbeitszeiten, Kinderarbeit und schutzloser Umgang mit bleichenden, ätzenden und giftigen Chemikalien“. Aber, wer ohne Arbeit ist, der erträgt auch dies. Für die Arbeiter der größten Manufaktur im heutigen Strohmeyersdorf wurden immerhin sehr einfache Wohnungen in Petershausen bereitgestellt, denn die Arbeiter wurden auswärts angeworben. 1866 hatte Konstanz 9260 Einwohner. Unter ihnen gab es nur einige hundert "Bürger", also Männer, die das Stimmrecht besaßen.
2.2 Erste Baumaßnahmen unter Max Stromeyer
Es musste erst ein Mann wie der umstrittene, energische, liberale Bürgermeister Max Stromeyer kommen, der 1866 gewählt wurde und 1877 zurücktrat, um Pläne für die Vorstadt zu erstellen und die „wilde“ Bebauung zu regulieren. Finanzieren wollte er sein Projekt mit Mitteln aus den sehr reichen Spital-Stiftungen. Das gelang ihm auch, aber nur, weil Stromeyer den Gemeinderat umging, um beim badischen Staat die Rückgabe der Stiftungen an die Stadt zu beantragen. Damit hatte er Erfolg und Konstanz wurde als erster ehemaliger Reichsstadt die Verwaltung der Spital-Stiftungen wieder in Eigenverantwortung übertragen. Befreit vom Einfluss der Kirche, die Veränderungen scheute, konnte man nun Grundstücke tauschen und sogar eine Rendite erwirtschaften. Den letzten Anstoß für das Vorstadtprojekt gaben die unhaltbaren Zustände im völlig überfüllten ehemaligen Augustiner-Eremitenkloster, das die Spitalstiftung verwaltete. Dort war eine Schule untergebracht und die Alten, die Armen, die Waisen und die Kranken der Stadt fristeten hier ihr Dasein. Nachdem dieses Kloster abgerissen worden war – nur die Klosterkirche, die heutige "Dreifaltigkeits"-Kirche am Ende der heutigen Bahnhofstraße blieb vom gesamten Neugass-Viertel erhalten – sollte ein modernes Spital Abhilfe schaffen, erbaut 1872 „auf einem freien und luftigen Platz“ – „von Anlagen und Obstgärten umgeben“. Und da steht es noch heute, als Teil der Herzklinik, Luisenstraße 9a, oberhalb des Parks an der Mainaustraße. Das stattliche Gebäude mit einem kleinen Dachreiter auf dem Mittelteil ist wohl das erste öffentliche Gebäude von Petershausen. Ein Blick auf den Stadtplan von 1874 zeigt „den Spital“ im rechten unteren Planquadrat eines projektierten Straßennetzes. Der Park ist hier noch ein „Gartenparterre“ mit geometrischen Blumenrabatten.
2.3 Umbrüche in der sozialen Versorgung
Das Spital in Petershausen brachte für die Konstanzer tiefgreifende Veränderungen. Der badische Staat organisierte alle karitativen und sozialen Aufgaben neu, die jahrhundertelang die Kirche fast allein übernommen hatte. Jetzt wurden Schule, Armen- und Altenfürsorge von der Krankenpflege getrennt. Ab sofort gab es keine Almosen mehr. Ins Altenheim konnte sich einkaufen, wer Geld besaß, und die Armen mussten durch eigene Arbeit zu ihrem Unterhalt beitragen. Den Bau einer Schule in Petershausen ohne die Trennung der Kinder nach Konfessionen konnte Stromeyer aber nicht durchsetzen. Sein Plan wurde so lange boykottiert, bis die Schule in das leerstehende Franziskanerkloster am heutigen Sankt-Stephans-Platz zog. Obwohl der Bürgermeister eigentlich nur bestehende Gesetze umsetzen wollte, geriet der Katholik damit zwischen die Fronten von Kirche und Staat im „Badischen Kulturkampf“. Er wurde nicht nur diskriminiert, sondern schließlich auch exkommuniziert, wofür die Kirche wegen Amtsmissbrauchs von der Regierung gerügt wurde.
Einfach war dieser Neuanfang also nicht. Die Stadt hatte sich zwar früh ein paar Wiesen drüben am See gesichert. Aber oft musste erst hart verhandelt werden mit den vielen Eigentümern der Gärten und Weinberge. So kam ein weiteres Projekt, die Anlage eines neuen Friedhofs ins Stocken, weil die Dominikanerinnen der Niederburg erbitterten Widerstand leisteten. Sie wollten ihren besten Weinberg nicht opfern und gaben erst nach, als ein Teil der Weinstöcke „versehentlich“ abgesägt worden war. Vielleicht sahen sie auch ein, dass der überfüllte Schottenfriedhof endlich geschlossen werden musste. Hinnehmen mussten sie, dass ein „Kirchhof“ neuerdings ein weitläufiger Park war, der Menschen aller Konfessionen offen stand.
2.4 Aufschüttungen am Seeufer und das Bad-Hotel
Unter den größten Schwierigkeiten wurde das dritte Modernisierungsprojekt in die Wege geleitet. Bürgermeister Stromeyer beabsichtigte, die Flachwasserzonen am Seeufer großflächig aufzuschütten. Hier biss er aber beim Besitzer des Inselklosters sozusagen auf Granit. Der Jurist und Heimatforscher Eberhard Graf Zeppelin, ein Bruder des Flugpioniers, plante nämlich – nach dem Konkurs der Textil-Färberei und -Druckerei Macaire – das Kloster in ein „Inselhotel“ umzuwandeln. Durch die Aufschüttung wäre aber der Inselcharakter verloren gegangen. Stromeyer riet nun vom Bau des Inselhotels ab, weil bereits ein Hotel am Seeufer geplant sei. Er verschwieg dabei, dass er selbst an diesem Hotel finanziell beteiligt war. So stritt und verleumdete man einander auch noch weiter, als Graf Zeppelin vor Gericht Recht bekommen hatte. Was dann geschah, wissen wir. 1875 wurden beide Hotels gleichzeitig festlich eröffnet.
Das riesige elegante Bad-Hotel an der Seestraße (im heutigen Büdingenpark) ging leider nach dem ersten, verregneten Sommer in Konkurs und wurde später vom Inselhotel übernommen. Aufgeschüttet wurde dann nur am Hafen, am Stadtpark und entlang der späteren Seestraße. Aber auch die Seestraße entpuppte sich anfangs als Fehlinvestition. Durch die Anschüttung stiegen die Erschließungskosten so enorm, dass sich lange kein Käufer mehr fand.
2.5 Die Klosterkaserne und die Oberpostdirektion
Gerade noch in der Amtszeit Stromeyers wurde auch die neue „Klosterkaserne“ 1877 fertig. Sie ist der größte Neubau im damaligen Konstanz. 1870 waren die badischen Truppen ins reichsdeutsche Militär eingegliedert worden und es wurden in Deutschland hunderte Kasernen für das neu entstehende Heer gebaut. Die neue "Klosterkaserne" lag direkt am Bahngleis, was günstig für militärische Transporte war. Und es war auch noch genug Platz zum Exerzieren in der Vorstadt vorhanden, um später eine zweite, die neubarocke „Jägerkaserne“, zu bauen. Für verheiratete Soldaten und Offiziere wurden in der Nachbarschaft Dienstwohnungen gebaut, wo nach dem Zweiten Weltkrieg ein vollkommen französisches Quartier entstand. So wenig beliebt, wie heute, war das Militär damals nicht. Es war im Gegenteil hochwillkommen, denn es war ein Wirtschaftsfaktor, verschaffte dem Handwerk Aufträge und förderte das gesellschaftliche Leben. Weil am Sternenplatz die Straße für die Unterführung 1938 tiefer gelegt wurde, steht die Klosterkaserne heute in einer gar nicht geplanten, beherrschenden Position.
1872 wurde ebenfalls in der Amtszeit Stromeyers am Bahnhofplatz zur Marktstätte eine Oberpostdirektion für Südbaden eingerichtet. 1891 zog diese Behörde in das imposante Gebäude um.Die nun "Kaiserliche Oberpostdirektion" wurde um das Postamt und das Telegrafenamt erweitert – und nun mussten noch Wohnungen für die Beamten gefunden werden. In Konstanz lebten jetzt 16 235 Menschen, 6 975 mehr als 1866. Das Wohnproblem löste man schließlich in den Zwanzigerjahren deutschlandweit sehr ähnlich und sehr erfolgreich mit genossenschaftlich organisierten Bauprojekten. Es wurden Häusergruppen gebildet, in der Sierenmoos-Siedlung für Bahn- und Postbeamte, und mit städtischer oder staatlicher Unterstützung finanziert. Die Bewohner steuerten Ersparnisse oder auch eigene Arbeitskraft bei, oder sie bildeten sogar Eigentum, indem über viele Jahre ein fester Betrag vom Gehalt abgezogen wurde. Auch das Musikerviertel war ursprünglich nach diesem Modell entworfen. Noch 1943 lebten hier ein Obertelegrafen-Inspektor, ein Oberpostsekretär a.D., ein Vermessungsrat, ein Steuerinspektor und vier Gymnasial-Professoren und ihre Familien eng benachbart (Einwohnerbuch Konstanz).Die Oberpostdirektion und die alte Post sind Geschichte, aber die Postgebäude prägen noch immer das Stadtbild.
2.6 „Wilde“ Seeuferbebauung, Historismus, Gründerzeit
Zurück zu den „Gründerjahren“, wo sich die Konstanzer sicherlich die Augen gerieben haben, als am See plötzlich prächtige Villen auftauchten, versteckt in Parks mit exotischen Bäumen. Mancher Besitz reichte bis zum Seeufer und sogar in den See hinein. Einige der Villen stehen noch, aber kein Anwesen ist so vollständig mit Park und Seeanstoß erhalten, wie in Lindau. Entlang des See- und des Flussufers und auch entlang der Ausfallstraßen entstanden sehr schöne Anwesen, viele davon mit Gärten. Hier bauten sich die Konstanzer Fabrikbesitzer standesgemäße Villen. Die alten Straßen blieben erhalten und sie verbinden Konstanz wie eh und je mit den später eingemeindeten Nachbarorten. Die Mainaustraße wurde verbreitert, der Salzberg etwas abgetragen, die meisten projektierten Straßen und Plätze wurden gar nicht ausgeführt. Besser als die alten Wege konnte kein Entwurf vom Reißbrett das Gelände erschließen. Besonders schön ist die Villa Baader an der Mainaustraße 36. Sie wurde 1869 von Architekt Adolf Weinbrenner erbaut. Auch ihr Garten reichte weit hinunter bis fast an den See. Im Park der erhaltenen Villa Douglas von 1858 steht heute die Schmiederklinik. Bis zum See reicht heute kein Privatgrundstück mehr. Das verhindert seit 1995 eine Anschüttung, durch die ein öffentlicher Uferbereich vom Jachthafen bis zum Hörnle gewonnen wurde. Die Villa Prym, eine umgebaute Villa von1860, strahlt noch etwas von der Kultur und dem Reichtum der wohlhabenden Bürger aus, die damals aus ganz Deutschland kamen, um sich am See anzusiedeln. Aber es kamen auch weniger Wohlhabende nach Konstanz. Ab 1862 erlaubte es die „Gewerbefreiheit“, sich zur Existenzgründung überall niederzulassen. Auch Juden waren nun gesetzlich gleichgestellt.
Aber woher kam eigentlich diesmal das Geld? Die „neureiche“ Gründergeneration hatte ja noch kein großes Vermögen, sondern wollte erst reich werden! Also wurden Aktiengesellschaften und Banken gegründet, Kredite aufgenommen und Bau- und Sparvereine ins Leben gerufen. Die neue Bürgerschicht steckte viel Geld, Sorgfalt und Ehrgeiz in die Architektur ihrer Wohngebäude. Das zeigt sich vor allem an den großstädtischen Jugendstilhäusern an der Seestraße. Diese Bauweise eignete sich besonders gut für das Gelände zwischen den Ausfallstraßen, die ab der Rheinbrücke fächerförmig auseinander laufen. Die Grundstücke wurden durch die typische „Blockrandbebauung“ um einen Innenhof herum intensiv genutzt. Als Gegenentwurf zu den Altstadt-Häusern wurden sie aber hell und nach modernem Standard gestaltet. Die Neubauten bekamen Wasserleitungen statt Brunnen, Gaslicht erhellte Straßen und Häuser und das Abwasser lief nicht mehr in offenen Rinnen in den See.
Schließlich fand man auch Platz für neue Schulen. Das Suso-Gymnasium (das alte Jesuiten
gymnasium) zog endlich 1911 in die Vorstadt.
Die erste „Volksschule“ war zwei Jahre früher fertig. Beide Schulen schmücken noch heute den Stadtteil.
2.7 Werkswohnungen, Villenkolonie und Siedlungsbau
Ein Schild erinnert südlich des Bahngleises an einen weiteren Wachstumsmotor, an die Straßenzüge mit Arbeiterwohnungen, die unter anderem die Baumwollspinnerei Ten-Brink und die Firma Herosé hier bauten. Mit dem I.Weltkrieg brach der Bauboom der Jahrhundertwende ab. Nach dem Krieg waren Wohnungsnot und Geldmangel wieder da. Nun besann man sich noch einmal auf den Spar- und Bauverein und baute sehr sorgfältig durchgeplante Siedlungen im Stil von Gartenstädten. Bei deren Erschließung auf schwierigen Böden mussten die neuen Bewohner unter strengen Auflagen oft mit anpacken mussten: es entstanden die
Sierenmoos-Siedlung für Bahn- und Postbeamte, etwas später das Musikerviertel für höhere
Beamte, wie Lehrer, und der Hindenburgblock und das Musikerviertel. Hier gab es die Auflage, nach einer kurzen Frist zur Planung mit heimischem Material und heimischen Handwerkern zügig zu bauen, um die Wirtschaft im Konstanz der Nachkriegszeit zu stützen. Diese Siedlungen sind noch heute begehrte Wohnquartiere. Sie stehen alle unter Ensembleschutz. Zwischen diesen Quartieren blieb noch Platz für privates Bauen und so wuchs Petershausen in einer Mischung aus durchgeplanten Siedlungen, privaten Bauten, Gewerbe und Bildungseinrichtungen immer weiter. Bauphasen wurden immer wieder von Krisen unterbrochen, die Entwicklung verlief in Schüben, was den Charme dieses stilistisch so abwechslungsreichen, planerisch aber kleinteilig zusammengesetzten Stadtteils heute ausmacht.
2.8 Die Nazizeit
Die Nationalsozialisten verwandelten Petershausen in einen Hotspot für die „Kraft durch Freude“ Organisation. Dieser erste Massentourismus am See hatte, genau wie heute, auch eine Kehrseite, weil er zerstörte, was er suchte: idyllische Ruhe und viel Komfort für wenig Geld. Durch „Gleichschaltung“ sollte die historisch gewachsene Ordnung dem Diktat der Partei unterworfen werden. Entsprechend dem Personenkult der Partei wurden die Straßennamen „aktualisiert“. Die Seestraße hieß nun Adolf-Hitler-Ufer. Nach der Entrechtung der Juden wurden ihre Häuser zu Schleuderpreisen angeboten. 1936 hatte Konstanz 35 000 Einwohner und jeder kannte jeden, die Schweiz war zwar nah und es gelang, einige Menschen zu retten. Trotzdem wurden auch aus Petershausen ganze Familien verjagt und getötet. Auch gebaut wurde damals in Petershausen. Es entstand die Unterführung am Sternenplatz mit einem Umbau der Brücke. Dafür wurde das Sternenviertel abgerissen. Neu ist auch das damals sehr moderne Hallenbad am Rhein, und die "Bodenseekampfbahn", das Stadion am "Hörnle".
3. Petershausen heute
3.1 Die heutige Bebauung
Petershausen blieb, wie die Altstadt, von Bombardierungen im Krieg verschont. Aber der Stadtteil hat sich sehr stark verändert. Er reicht heute vom Seeufer am Thermalbad bis zur Schänzlebrücke am Seerhein. Von dort läuft die Grenze hinauf bis zum Friedhof, in etwa am Höhenweg entlang, an der Friedrichshöhe hinunter und durch den Lorettowald wieder zum See. Entlang der Theodor- Heuß-Straße, dem Zähringerplatz und der Friedrichstraße wird Petershausen geteilt in einen Ost - und einen West-Teil.
Das alte Spital ist zu einem beeindruckenden Gesundheitszentrum aufgestockt worden. Ein neues Krankenhaus der Spitalstiftung mit dem Vincentius-Krankenhaus und dem Medizinischen Versorgungszentrum, die Herzklinik, zwei kieferorthopädische Praxen, die Schmiederklinik, das Strahlen-Therapie-Institut, das Rote Kreuz, die Rosenau mit einem Pflegeheim, das Labor Brunner und viele weitere Arztpraxen, sowie das Ärztehaus am Zähringerplatz und die Malteser in der Friedrichstraße sind hier dazugekommen . In Petershausen Ost gibt es neben dicht bebauten Wohnvierteln noch einen durchgrünten Bereich mit alten Einfamilienhäusern. Hier wurde aber auch abgerissen und verdichtet, um mehrstöckig neu zu bauen. Die großen Gärten wurden alle aufgeteilt und bebaut.
Der Petershauser Westen ist ein dicht bebautes Wohngebiet geblieben, das weiter wächst. Die Gewerbeansiedlungen ziehen sich zur Zeit hier zurück. Da die Nachfrage nach Wohnungen immer noch groß ist, weil die Menschen in die Städte drängen, wird hier weiter verdichtet und etwas anonym auf Industriebrachen gebaut. Auf dem sogenannten "Wohnungsmarkt" werden Wohnungen in Konstanz heute zu Höchstpreisen gehandelt. Man kann nur hoffen, dass für die Konstanzer selbst Wohn- und Lebensraum erschwinglich bleiben.
Un
d was ist aus dem Klosterareal geworden? Umfahren von den Ausfallstraßen und vom Bahngleis, liegen die Gebäude auch heute noch zugleich mitten im Geschehen und doch im Abseits. Das Kloster wurde Schloß, Spital und Kaserne . Nachdem das französische Militär 1977 abgezogen ist, sind die Polizei, städtische Behörden, das Stadtarchiv, das Archäologische Landesmuseum und die Musikschule eingezogen. Das Landratsamt erhielt auf dem Areal einen Neubau, ebenso die Verwaltung der stadteigenen Wohnungsbau-Gesellschaft Wobak.
3.2 Die Bewohner Petershausens heute
Petershausen hat heute eine bunt gemischte, urbane Bevölkerung. Und für all diese Menschen – es sind rund zwanzigtausend – für Studenten, für Berufstätige, für Familien mit Kindern, für Senioren und neuerdings für Migranten, gibt es alle Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, die eine Stadt bieten kann. Es wurden Kirchen für alle Konfessionen gebaut. Neben der Musikschule gibt es einen Musikverein und Kirchenmusik wird auf hohem Niveau gepflegt. Sportvereine, Bäder und herrliche Wege fürs Lauftraining sind dazugekommen. Nicht mehr wegzudenken ist der beliebte "Treffpunkt Petershausen".Neuerdings wird der Radverkehr stark gefördert. Aber – anders als in den später eingemeindeten Nachbarorten, die uralt sind, fehlt Petershausen ein echtes Zentrum. Die „Plätze“ Sternenplatz und Zähringerplatz sind Straßenkreuzungen und als zentrale Bushaltestellen nicht einladend zum Verweilen. Nur an den Markttagen trifft man Bekannte, früher auch in der Warteschlange an der Post. Vielleicht ist der Sog der Altstadt mit ihren vielen Kulturangeboten zu stark. Der Weg dorthin ist kurz, die alten Wege, die aus der Stadt hinausführen, führen auch schnell wieder hinein.
Nicht einfach zu beantworten ist die Frage, ob vom Kloster wirklich nur der Name auf den Stadtteil übergegangen ist. Vielleicht hat die bewegte Klostergeschichte doch noch andere Spuren hinterlassen? Tatsächlich kann es auf dem schönen Benediktinerplatz bei Festen und Veranstaltungen geschehen, dass an diesem besonderen Ort ein Gefühl der Zusammengehörigkeit aufkommt und der eine oder andere hier erstaunt entdeckt:
“ Ich bin ein Petershüsler! “
Ulla Stemmermann
Verwendete Literatur:
Arno Borst: "Mönche am Bodensee" Sigmaringen 1978
Wolfgang Kramer, Michael Losse: "Historismus und Jugendstil im Kreis Konstanz" Hilzingen 2015
Marita Sennekamp: "Grün in der Stadt. Eine historische Spurensuche in Konstanz" Konstanz 2018
Ralf Seuffert: Konstanz. "2000 Jahre Geschichte" Konstanz 2003
Gert Zang: "Restauration, Revolution, Liberale Ära.1806 bis 1870. Konstanz" 1994
Gert Zang: "Konstanz in der Großherzoglichen Zeit" Aufschwung im Kaiserreich. Konstanz 1993
Ulla Stemmermann, Autorin
Bilder-Nachweis:
Die in diesen Beitrag eingefügten Bilder sind unserem "Bilderbogen Alt-Petershausen" entnommen, dort sind die Quellenangaben ausgewiesen:
Wolfgang Betz, Administrator
https://www.bg-petershausen.de/index.php/wir-in-petershausen/bilderbogen
Panorama Blick vom Münsterturm auf Petershausen
Bilder und Panorama: Wolfgang Betz, Online-Technik: Dr. Marc-Peter Schambach
Siehe auch: Ein zweiter Blick auf Petershausen - Update für das Panorama auf der Homepage
Bildquellen-Nachweis am Ende der Bilderreihe
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Benediktinerplatz und Umgebung
Krankenhaus
Luftaufnahmen
Rheinufer
Seestrasse
Sierenmoos
Kirchen
Sternenplatz
Schulen
Waldhaus Jakob
Industrie und Gewerbe
Verschiedenes
Bildquellen-Nachweis
Vielen Dank an die Verlage, städtischen Archive, den Delphin-Kreis und die Personen, die uns ihre Bilder zur Verfügung gestellt haben.
Folgende Quellen konnten wir nutzen:
Rosgartenmuseum Konstanz (archiv)
Bildband "Konstanz in den 40er und 50er Jahren" Verlag Stadler Konstanz (ISBN 3-7977-0327-9) (stadler-I seite)
Bildband "Konstanz – Eine Stadt im Wandel – Von den 50er in die 90erJahre" Verlag Stadler Konstanz (ISBN 3-7977-0323-6) (stadler-II seite)
Bildband "Das Konstanz der 20er und 30er-Jahre" Verlag Stadler Konstanz ISBN 3-7977-0115-2 (stadler-III seite)
Bildband "Das alte Konstanz" mit Bildern des Hofphotographen German Wolf aus den Jahren 1860 bis 1918 (stadler-IV seite)
Bildband "Konstanz im 20.Jh., Die Jahre 1914-1945",
Verlag Stadler Konstanz, ISBN 3-7977-242-6 (stadler-V)
Das DelphinBuch Band 10, Der Delphin-Kreis und Labhard-Verlag Konstanz ISBN 978-3-939142-57-7 (delphin seite)
Broschüre der Stadt Konstanz "Eine neue Mitte für Petershausen - Das ehemalige Klosterareal öffnet sich" (neue mitte seite)
Stadtführer Daniel Gross (gro)
Spar- & Bauverein Konstanz
Wolfgang Betz (bet) – Werner Gottmann (got) – Jürgen Jetschmanek (jet)
Am Donnerstag, 27. März 2014 um 19:00 Uhr findet im "Treffpunkt Petershausen" Georg-Elser-Platz die Mitglieder-Jahreshauptversammlung statt.
Unsere Mitglieder wurden per E-Mail bzw. Briefpost eingeladen. Tagesordnung
Gäste sind ebenso wie zu unseren monatlichen Sitzungen herzlich willkommen.